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Russische Propaganda

Die merkwürdige russische Wärmestube in der Rue Goethe

Frierende Luxemburger würden sich im russischen Kulturzentrum aufwärmen, so die Moskauer Nachrichtenagentur Ria. Aber stimmt das?

In der rue Goethe sind am Mittwochmorgen die Rollläden unten. Und Passanten in der Straße davor frieren bei 19 Grad Außentemperatur nicht.
In der rue Goethe sind am Mittwochmorgen die Rollläden unten. Und Passanten in der Straße davor frieren bei 19 Grad Außentemperatur nicht. Foto: Tom Rüdell

Die Nachricht wirkt auch auf den zweiten Blick etwas seltsam: Frierende Bürger in Luxemburg und Finnland wärmen sich angeblich in russischen Kulturzentren in ihren jeweiligen Hauptstädten auf. Das meldete immerhin die staatliche russische Nachrichtenagentur Ria Novosti am vergangenen Wochenende. Neben beheizten Räumen und heißem Tee gebe es dort auch die Möglichkeit für die von der Energiekrise gebeutelten Europäer, ihre Handys aufzuladen. Für die Kinder gebe es ein Kinoprogramm mit Zeichentrickfilmen.

Die staatliche russische Nachrichtenagentur wählt Luxemburg und Finnland als Beispiel.
Die staatliche russische Nachrichtenagentur wählt Luxemburg und Finnland als Beispiel. Foto: Screenshot Ria Novosti, ins Deutsche übersetzt mit Google Chrome

Das ganze, so Ria Novosti, sei eine Kampagne von Rossotrudnitschestwo, offiziell und etwas sperrig auch „Föderalagentur für Angelegenheiten der GUS, für Fragen der im Ausland lebenden Mitbürger und für internationale humanitäre Zusammenarbeit“. Die Agentur wurde 2008 auf direkten Erlass von Wladimir Putin gegründet. Sie soll die russische Kultur und Sprache im Ausland fördern - Sprachkurse anbieten, Kulturprogramme im jeweiligen Gastland organisieren, ein „aktuelles Russlandbild vermitteln“.

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Und jetzt soll Rossotrudnitschestwo offensichtlich unter dem an James Bond („From Russia with Love“) angelehnten Titel „Von Russland mit Wärme“ auch Heizenergie an Europa spenden. Ria Novosti nennt das eine „humanitäre Aktion“, die Staatsagentur selbst schreibt in ihrem Telegram-Kanal von „menschlicher Wärme aus Russland für frierende europäische Familien“ - und das nicht nur in Luxemburg, sondern in allen europäischen Hauptstädten. Die Rede ist auch vom „kalten und feuchten Herbstwetter in Europa“.

Und ein Rossotrudnitschestwo-Sprecher wird mit den Worten zitiert, dass sich „gestern“, also wohl Ende vergangener Woche, bereits Menschen in Finnland und Luxemburg „aufgewärmt“ hätten: „Nach und nach kommen sie“.

Frierende Luxemburger?

Aber wer friert hier eigentlich? In Luxemburg herrscht statt Herbst- eher Spätsommerwetter, das Thermometer zeigte zuletzt tagsüber zwischen 15 und 20 Grad. Am russischen Kultur- und Wissenschaftszentrum in der rue Goethe waren am Mittwochmorgen die Rollläden heruntergelassen - unwahrscheinlich, dass sich dahinter bei knapp 20 Grad Außentemperatur frierende Luxemburger Kinder russische Trickfilme ansahen.

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Verschiedenen Medienberichten zufolge sieht es an anderen Rossotrudnitschestwo-Standorten ähnlich aus: Der Leiter des „Russischen Hauses“ in Berlin zeigte sich dem Nachrichtenportal t-online zufolge überrascht über die Aktion, über die er offenbar im Vorfeld gar nicht informiert wurde. Und in Kopenhagen habe es nach Informationen des exilrussischen Medienprojekts Astra wohl zumindest die Trickfilm-Vorführung gegeben - die allerdings auch nur als solche beworben wurde. Von „Aufwärmen in Krisenzeiten“ sei in der Einladung über die sozialen Medien keine Rede gewesen.

„Die emotionale Komponente ist wichtig“

Die Nachricht der russischen Staatsagentur macht also eher den Eindruck einer Falschmeldung aus Propagandazwecken. Eine Nachfrage von wort.lu beantwortete ein Sprecher des Kulturzentrums in der rue Goethe am späten Mittwochnachmittag allerdings mit einer anderen Interpretation: „Wir organisieren derzeit eine Reihe von Filmvorführungen zu verschiedenen Themen, größtenteils aus der russischen Folklore“, heißt es da. „Wir wollen dabei eine offene, ehrliche und warme Atmosphäre herstellen. Es stimmt, dass unsere Besucher Tee angeboten bekommen und auch wenn nötig ihre Handys laden können.“ Und abschließend: „Bei all unseren Veranstaltungen ist uns die emotionale Komponente sehr wichtig. Und das ist mit Wärme gemeint.“

Konkret bestätigte das Zentrum auch auf Rückfrage nicht, dass Luxemburger Bürger sich in den vergangenen Tagen in den Räumlichkeiten in der rue Goethe aufgewärmt hätten, weil bei ihnen zu Hause die Heizung kalt blieb.

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