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  4. Witwe von Deso Dogg: Omaima A. in Hamburg zu Haft verurteilt

Hamburg IS-Prozess

Nicht nur Hausfrau – Dreieinhalb Jahre Haft für Cuspert-Witwe

Politischer Korrespondent
Omaima A. (l.) und Denis Cuspert alias Deso Dogg Omaima A. (l.) und Denis Cuspert alias Deso Dogg
Omaima A. (l.) und Denis Cuspert alias Deso Dogg
Quelle: AL AAN TV
Ein Hamburger Gericht verurteilt die Witwe des bekannten IS-Kämpfers Denis Cuspert zu einer Haftstrafe. Sie war 2015 nach Syrien ausgereist. Das Verfahren gegen Omaima A. verrät viel über die Rolle der Frauen beim Islamischen Staat.

Wie viel Verantwortung tragen auch die Frauen, die im sogenannten IS-Kalifat lebten? Darum wird schon seit einiger Zeit vor deutschen Gerichten gerungen, viele der Frauen sind mittlerweile zurückgekehrt und werden angeklagt.

Waren sie nur Bräute und Hausfrauen, ahnungslos und damit nur schwer belangbar für die Verbrechen der Terrormiliz? Oder sorgten sie für den ideologischen Nährboden in der Familie, erzogen die Kinder streng ideologisch, terrorisierten jesidische Sklavinnen und stachelten ihre Männer zum Töten an?

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Deutsche Gerichte tun sich naturgemäß schwer damit, zweifelsfrei zu ermitteln, was Tausende Kilometer entfernt im syrischen Kriegsgebiet passiert ist. Sie sind angewiesen auf überwachte Messengerdienste und Beweisfotos, auf Geständnisse und glaubhafte Zeugen.

Im Fall von Omaima A., einer Frau aus Hamburg, die 2015 nach Syrien ausreiste, halfen dem Gericht maßgeblich die sorgfältigen Recherchen der arabischen Journalistin Jenan Moussa (al-Aan TV).

Der Hamburger Staatsschutzsenat sieht in der Witwe des IS-Kämpfers Denis Cuspert eines der vielen kleinen Rädchen, die die Herrschaft des sogenannten Islamischen Staates (IS) am Laufen hielten: Er verurteilte die 36-Jährige am Freitag zu dreieinhalb Jahren Haft.

Omaima A. vor Gericht
Omaima A. vor Gericht
Quelle: dpa

Sie sei von der Idee eines islamischen Staates auf der Grundlage der Scharia fasziniert gewesen, sagte der Vorsitzende des Strafsenats am Hanseatischen Oberlandesgericht, Norbert Sakuth.

Auf ihrer Reise nach Syrien habe die Deutsch-Tunesierin ihre drei kleinen Kinder in ein Kriegsgebiet mitgenommen und damit ihre Erziehungs- und Fürsorgepflicht verletzt.

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Außerdem habe Omaima A. Beihilfe zur Versklavung eines jesidischen Mädchens geleistet (Verbrechen gegen die Menschlichkeit) und durch die kurzzeitige Verfügung über ein Kalaschnikow-Sturmgewehr gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen. Darüber hinaus sei sie der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland schuldig.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Bundesanwaltschaft hatte vier Jahre und zehn Monate Haft für die Angeklagte gefordert. Der Verteidiger hatte sich für eine Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung ausgesprochen.

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Die Angeklagte hatte vor Gericht erklärt, sie habe sich in Syrien nur mal den Islamischen Staat ansehen wollen und dann festgestellt, dass das nichts für sie sei. Doch diese Darstellung hielt das Gericht für unglaubwürdig. Sie habe sich in einem Video, auf einem Foto und in einem Telefonat zu der Terrororganisation bekannt.

Eine Journalistin enthüllt ihr anderes Leben

2016 war Omaima A. wieder zurück nach Hamburg gekommen, sie arbeitete als Übersetzerin und Eventplanerin. Im April 2019 enthüllte die arabische Journalistin Jenan Moussa ihre Geschichte.

Ihr war das Mobiltelefon von Omaima A. in die Hände gefallen, darauf 24.000 Daten und viele Bilder: der Sohn in Flecktarn und mit Pistole, die voll verhüllte Tochter mit einer IS-Fahne und Omaima A. mit einer Kalaschnikow. Die Journalistin wunderte sich, dass Omaima A. nach ihrer Zeit beim IS in Deutschland wieder ein bürgerliches Leben führen konnte, scheinbar ungestört.

Die Sicherheitsbehörden widersprechen, die Rückkehrerin habe man immer im Blick gehabt.

Ein Sprung zurück: Anfang 2015 war Omaima A. ihrem damaligen Mann ins Herrschaftsgebiet des IS gefolgt. Mit ihren Kindern lebte sie bis Ende April 2016 in der Hochburg der Terrororganisation, in Rakka.

Nach dem Tod ihres Mannes im Frühjahr 2015 heiratete sie dessen Freund Cuspert. Der Berliner Rapper hatte sich 2014 dem IS angeschlossen und stand in den USA auf der Terrorliste. Er wurde 2018 in Syrien bei einem Luftangriff getötet.

Nach dem Tod ihres ersten Mannes beim Kampf um die syrisch-kurdische Stadt Kobani habe Omaima A. zwei Zahlungen vom IS in Höhe von 1000 und 310 Dollar angenommen, so das Gericht. Über eine Facebook-Seite habe sie Werbebotschaften für den IS verbreitet. Anfang 2016 habe sie sogar versucht, sich als Frau zum Kampf zu melden, sagte der Vorsitzende Richter.

Waffen und IS-Symbole

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Ihre Tochter habe sie auf einer Schule der Gehirnwäsche des IS ausgesetzt. Auf Fotos ließ sie ihre Kinder mit Symbolen der Terrororganisation posieren. Dass die Kinder durch den Krieg in Lebensgefahr waren, sei ihr bewusst gewesen. In einer E-Mail habe sie geschrieben: „Man darf nicht vergessen, wir leben nicht an einer Strandpromenade, wo man Käffchen und Sahnetorte zu sich nimmt.“

Im August 2015 habe sie auf Bitten einer Bekannten mehrere Stunden auf eine 13-jährige Sklavin aufgepasst. Die Angeklagte habe die Jesidin nicht erniedrigend behandelt, sagte der Richter.

Aber Omaima A. habe gewusst, dass es sich um eine Sklavin handelte, und habe mit dem Aufpassen zur Aufrechterhaltung des Sklavenzustandes beigetragen. „Dass Omaima A. auch wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt wurde, ist ein wichtiges politisches Signal an die Betroffenen“, kommentierte Cansu Özdemir, Fraktionschefin der Hamburger Linken.

Rückkehr nach Hamburg

Wegen einer Schwangerschaft und Streitereien mit Cuspert – dieser wollte sich eine zweite Frau nehmen – flüchtete die Angeklagte Anfang Mai 2016 aus Rakka. Am 1. September 2016, kurz vor der Geburt ihres vierten Kindes, flog sie über die Türkei zurück nach Deutschland. Dort legte sie den Schleier ab und begann wieder ein westliches Leben. Bis die Recherchen von Jenan Moussa den Handlungsdruck auf die Behörden erhöhten.

Mit ihrer Überzeugung habe sie aber nicht gebrochen, stellte Richter Sakuth fest. Noch vor Gericht habe sie erklärt, der IS habe auch Gutes getan, die Infrastruktur verbessert, die Straßen begrünt sowie arme Menschen und alleinstehende Frauen versorgt.

mit dpa

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